PBP 2019 - ein kurzer Bericht

Harald Rauch

Es geht nicht um Geschwindigkeit sondern ums Genießen!

Fabrice Milanesi (mehrfach Rückfälliger) bringt dies auf den Punkt:

But Why Nevertheless Ride PBP?

... Because it brings together cyclists from all backgrounds, tourists and racers,

striving for the same goal: to finish, without any competition between the riders.

 

Die obigen Sätze sagen eigentlich alles!!!

Hier noch ein kurzer Bericht über mein erstes(aber gewiß nicht letztes) PBP

 

Als wir am Samstag, 17.08. Richtung Paris bzw. Rambouillet aufbrachen, hätte ich in Vorhandyzeiten gesagt, das wird nix, wir bleiben zuhause. Aber zum Glück waren sich alle Wetterapps einig, daß der Regen am Sonntag Nachmittag,also pünktlich zum Start (ich war in der Startgruppe 18.00 Uhr) durch sein soll...und sie hatten Recht!!!

Also haben wir am Nachmitag im Ibis eingecheckt, wo sich auch schon mehrere Rondonneure eingefunden hatten.

Am Samstag Nachmittag gings im weitläufigen Schloßpark von Rombouillet zum Fahrradcheck,über matschige Wege(wozu hatte ich vorher mein Radgeputzt???)

Dann zum Treffen von ARA (=Audax Rondonneurs Allemagne),wo ich schon einige mir bekannte Rondonneure traf.  Im ganzen Ort und der Umgebung waren schon jede Menge Rondonneure, zu erkennen an ihren Gepäcktaschen am Rad, unterwegs. AmSonntag Nachmittag stieg dann der Adrenalispiegel langsam an. Kurz noch ein paar Kekse, Bananen etc. für alle Fälle eingekauft..der Tipp eines Rondonneurs aus unserem Hotel betreffs Minisalami war gut...kannst du einfach in die Trikottasche stecken und hast immer was zum Naschen.

Dann gings endlich zum Start, bei Sonne!!! Los gings Richtung Westen, der Gegenwind war in der großen Gruppe kein Thema.Wir kamen gut voran in der lieblichen, welligen Landschaft der Ile de France, bis zur ersten Kontrolle in Mortagne au Perche nach ca 118 km ,inzwischen war es dunkel, hatten wir einen knapp 30 er Schnitt! Jetzt erst mal ein Schokocroissant und , das wichtigste Lebensmittel für die nächsten 3 Tage, Cafe au lait.

Weiter gings durch die laue Nacht, immer Richtung Westen mit guter Gruppe,bis zum K 2 in Villaines-la-Juhel nach 217 km lag der Schnitt immer noch über 28 km/h. Das hätte hochgerechnet ein Zeit um die 50 Std ergeben, was natürlich unrealistisch ist, denn später wirst du naturgemäß immer langsamer. Jedenfalls hatte ich gute Beine und fuhr wie ein junger Gott...Das schöne in der Nacht ist, daß du vor dir immer Grüppchen von roten Rücklichtern siehst,und ich bin mehrmals meiner Gruppe davongesprintet, um mich an die nächste dranzuhängen....daß das nicht lang gut gehen kann, ist wohl klar, aber ich war halt so euphorisch!!!

Die nächste Kontrolle war in Fougeres, es war noch dunkel, ich hab nur kurz die Festung gesehen. Auf der Rückfahrt am Dienstag hab ich dann erst gesehen, wie riesig selbige ist, und wie schön der Ort liegt...muß ich unbedingt mal näher anschauen...

Die Nacht ist kühler als angekündigt, endlich wirds langsam hell, weiter gehts Richtung Brest, die Kontrollen gleichen sich wie ein Ei dem anderen, und irgendwann kommen dir die Croissants und Sandwiches aus den Ohren raus, aber egal, irgendwas mußt du ja zu dir nehmen!!! Es ist schon ein lustiges Bild, wenn mehrere hundert Radler in einer Halle sitzen ,einige in verrenkten Schlafposen, den Kopf auf dem Tisch...

So langsam wirds wieder dunkel und wir nähern uns dem Wendepunkt, der Stadt Brest. Zeit, das Licht einzuschalten...upps, wo ist meine Akkulampe????Muß ich irgendwo verloren haben..also in Brest an der Kontrolle (an jeder Kontrolle sind Fahhradhändler, nach dem Motto, wenns Brei regnet...)eine neue gekauft.

Auf gehts in die zweite Nacht. Allmälich werde ich müde und ein erstes kurzes powernapping ist fällig,ca 15 min im Gras ,eingehüllt in meine Rettungsfolie.Nachdem ich durch ein knatterndes Motorrad geweckt werde, steige ich wieder aufs Rad, vor mir wie gehabt rote Rücklichter, hinter mir immer wieder Scheinwerfer, also bin ich noch auf dr richtigrn Strecke (du hast schnell mal ein Schild übersehen...) Wieder sind die Sterne und der Halbmond meine stummen Begleiter. Gegen Morgen wirds sehr frisch, um die 6 Grad, und neblig,die Brille beschlägt und vom Helm tropfts runter...Mittlerweile fahre ich meistens alleine, hab leider zweimal eine gute Gruppe verloren, was das Fahren nicht unbedingt erleichtert, aber das sollte einen echten Rondonneur nicht stören. Irgendwann am Nachmittag merke ich wieder die Müdigkeit, lege mich in einem Park kurz auf die Wiese, ruckzuck kommt eine Handvoll Kiddies auf Fahrrädern daher, "vous faite le Paris-Brest? Comment ca vas?" natürlich freue ich mich über das Interesse, aber meine Antwort erschöpft sich in einem müden "je suis fatiguee"....

A propos Interesse: An der ganzen Strecke stehen immer wieder Leute vor den Häusern und applaudieren und feuern uns an, stellen Wasser und Obst zur Verfügung, auch mitten in der Nacht, es ist einfach toll!!!

Jetzt ereeiche ich wieder Fougeres. Leider zur Rushhour, sauviel Verkehr, hab keine Lust zum Fotografieren, will nur endlich weg...

Endlich holt mich mal wieder ein Grüppchen ein, einen davon kannte ich sogar, ein ganz netter namens Szymon, wir sind uns wohl letztes Jarh bei einem Brevet im Saarland begegnet, den hatte ich schon vorher an irgendeiner Kontrolle getroffen, ich war baß erstaunt, daß er mich gleich mit Namen angesprochen hat ,ich hätte mich nicht mehr erinnert..

Mir tut seit einiger Zeit die linke Achillessehne weh, Szymon schenkt mir einen Blister mit Ibu 400..das ist gelebter Rondonneursgedanke!!!

Natürlich hab ich Szymon&Co nach der Kontrolle nicht mehr gesehen, es sind einfach zu viele..Dann hab ich mich an eine französische Gruppe von ca 8 Leuten drangehängt, der Leitwolf hat mir dann auf englisch die Gruppenregeln erklärt und ständig irgendwelche Kommandos gebrüllt...könnte gut als Feldwebel durchgehen...

Mittlerwile bin ich in der dritten Nacht, jetzt wirds langsam kriminell. Mein Gehirn spielt mir Streiche, ich fange an zu halluzinieren...Ich glaube z.B. vor mir eine hohe Felswand zu sehen...das ist aber nur der dunkle Nachthimmel...die flüchtigen Schatten, die dei Fahrradlampe wirft, werden zu Tieren oder was auch immer..  Dann fange ich an ,meine Brille hin und her zu schieben, weil ich glaube, nur noch das halbe Sichtfeld zu haben...dabei ist es nur der Schatten durch den Radfahrer hinter mir,...und irgendwann frag ich mich, wo bin ich denn hier, wie komme ich zu diesen Leuten, wo fahren wir eigentlich hin??? Einmal dachte ich, ich sei in Kroatien, bevor mein leicht nebliges Gehirn mir sagte, "nee, Junge, du bist bei Paris-Bret-Paris...

Höchste Zeit für eine kleine Pause. In einem Ort namens Mamiers gibts einen (von vielen) privaten Stand mit Kaffee und süßen Snacks und ein kleines Matratzenlager ,ich gönne mir immerhin eine Stunde Schlaf. Weiter gehts, es bildet sich ein Grüppchen mit ein paar Deutschen. Mortgne au Perche wird erreicht, danach fahre ich mal wieder auf Autopilot...wundere mich immer noch, daß das gut gegangen ist....Irgendwann ist die Gruppe weg, aber ich treffe die nächste, höre hauptsächlich italienisch. Ich setze mich an die Spitze...Fehler!! denn plötzlich sehe ich keine Lichter mehr hinter mir, und im übernächsten Dorf kommt eine Kreuzung ohne Parisschild.Das kann nur eins bedeuten: Ich hab mich verfahren...was tun? Ich rufe bei der letzten Kontrolle an, der nette Herr erklärt mir halbfranzösisch, hlabenglisch, ich oll zurückfahren bis zur Abweigung zum Ort xy,dann bin ich wieder auf der Strecke....OK, nach kurzer Panik alles wieder klar, hat mich vlt. 15 km Umweg gekostet.

Die Sonne geht auf, die letzte Kontrolle rückt näher,  bevor ich auf dem Rad einschlafe ,gönne ich mir noch ein powernapping auf einer Bank.

Jetzt aber los nach Dreux, nochmal stempeln,Cafe au lait und Schokocroissant, jetzt sinds nur noch 45 km!!!!!Natürlich hat der Wind auf Ost gedreht, um wieder von vorne zu kommen..

Noch eins zum Thema Franzosen und laissez faire: so ca 25 km vor dem Ziel hat mich ein Rennradfahrer überholt und mir angeboten, mir bis ins Ziel Windchatten zu geben.

Nach ein paar km standen einige Kontrolleure am Straßenrand und riefen ,das ist verboten, gibt Zeitstrafe.....aber was solls...

Endlich gehts Richtung Rambouillet, durchs Städtchen und Richtung Schloß. Gegen 12 Uhr mittags bin ich im Ziel, nach 65 h 55 min, 1250 km und 11800 Hm.

Es ist geschafft, ich kanns noch gar nicht glauben!!!

Und ich habs besser überstanden als befürchtet, kaum Sitzprobleme, nur mein linker Fuß ist ziemlich angeschwollen, und natürlich wieder die tauben Fingerspitzen...

Es ist eine ganz tolle Erfahrung, was dein Körper alles leisten kann!! Und es ist größtenteils Kopfsache. Es gibt Phasen, du willst du alles hinschmeißen (hatte ich aber so gut wie nie), und es gibt Phasen, da fühlst du dich wie ein junger Gott, da glaubst du, dein Rad fährt dich und nicht umgekehrt!!!

Fazit: Trotz aller Strapazen hab ich zu keiner Zeit daran gezweifelt, daß ich das Ding bis zum Ende durchziehe... und so es meine Gesundheit erlaubt, bin ich 2023 wieder dabei!!!