Hagel, Rotlicht & Männer in Müllsäcken

Tilo Lier

Tilo Liers Bericht über seine Teilnahme an der Superrandonnée Prealpina in Oberitalien (600 Kilometer / 12500 Höhenmeter) am 25. Juni 2016 - unter reichlich erschwerten Bedingungen...

[...] Die Dramaturgie beginnt

Die Wetteraussichten sahen im Vorfeld gar nicht so schlecht aus. Am ersten Tag sollte es (mit einer geringen Wahrscheinlichkeit) etwas regnen, aber die Temperaturen sollten stets im angenehmen Bereich bleiben. Und für den zweiten Tag sollte es weitestgehend trocken bleiben. Als wir morgens vor dem Start aufwachten, bemerkten wir in der Ferne Blitze und hatten auf dem Regenradar gesehen, dass ein Gewittergebiet über unsere Strecke zog. Unterwegs sahen wir durch umgestürzte Bäume und Äste auf der Straße dann auch wie wild das Gewitter gewesen sein musste. Aber wir waren noch guten Mutes, dass wir von sowas verschont bleiben und zwischen den Wolken durchfahren könnten.

Den zweiten (längeren) Anstieg aus Biella raus zum Bielmonte begann ich noch mit Marco. Tobias fuhr etwas zurückhaltender. Wie Tobias mir später mitteilte, brauche ich wohl immer zu Anfang eine Phase des Austobens bevor ich „zur Vernunft komme“ – er mag dabei schon etwas Recht haben…

Tilo Lier Als dann entgegenkommende Autofahrer mit der Lichthupe und entgegenkommende Radfahrer mit wilden Gesten uns zu verstehen geben wollten, dass wir umkehren sollten, bemerkten wir die Unwetterwand die sich direkt vor uns aufbaute. Aber da wir ja eine Mission zu erfüllen hatten, wurde dies nicht mal in Gedanken in Betracht gezogen!

Kurz darauf begann es dann auch schon zu regnen und wir stoppten um die Regenkleidung anzuziehen. Wegen der recht ordentlichen Vorhersagen hatte ich nur eine Regenjacke dabei. Marco hatte noch ein kurze Regenhose mit, um die ich ihn diesem Moment etwas beneidet habe. Sie mitzunehmen hätte kaum Zusatzgewicht bedeutet. Der ist bei einer Langstrecke immer eine spannende Sache. Ach ja, Tobias hatte gar keine Regenkleidung dabei ツ

Der Regen steigerte recht schnell seine Intensität und die ersten Sturzbäche flossen über die Straße. Weiter oben kam dann noch (etwas) Hagel hinzu. Nach dem Kontrollfoto bemerkten wir dann aber, dass wir nochmal glimpflich davongekommen waren. Denn auf der Abfahrt war die Straße teilweise komplett mit kirschkerngroßen Hagelkörnern bedeckt bzw. vereist. Weil auch sehr viele Steine und Geröll auf die Straße gespült wurden, war die Abfahrt extrem bescheiden zu fahren. Als bekennendes Abfahrtsweichei also genau mein Ding ツ

Unten in Coggiola war die Lage dann noch etwas wilder. Zuerst hatte ein Erdrutsch die Straße auf ca. 50 Metern mit Erde und Geröll bedeckt und weiter unten dann musste ich durch einen 25cm tiefen „See“ auf einer Brücke fahren.

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