1001 Miglia / Eine italienische Rad-Rundreise: 
der dirk in tournée

Dirk Ehling

Insgesamt 10 Schleswig-Holsteiner Langstreckenfahrer/Randonneure, darunter auch 4 Vereinsfahrer nahmen am längsten Radmarathon Europas, so die Eigenwerbung des Veranstalters, teil. Vom 16. bis zum 22. August 2024 waren bei diesem Super-Brevet etwas mehr als 1000 Meilen / 1600 Kilometer in max. 134 Stunden zu absolvieren. Etwa 500 Radfahrer aus aller Welt bildeten zusammen mit Carsten S. (RG Kiel), Jochen T., Klaus L., beide LTV Kiel-Ost und der dirk (RSC Kattenberg) ein international buntes und vielsprachiges Starterfeld von Langstreckenenthusiasten.

Startpunkt war Parabiago, ein Vorort nordwestlich von Mailand. Die Strecke war aufgeteilt in 18 Etappen im Non-Stopp Modus, soll heißen, jeder Radfahrer konnte an den entsprechenden Kontrollstellen und auch dazwischen frei entscheiden ob und wie viel Pause er machen wollte. Das gleiche bezog sich auch auf die Schlafpausen. Eben ein Brevet. Es gab noch 4 zusätzliche Stempelkontrollen und 2 Geheimkontrollen. Seit der Pandemie wird 1001MM als Green Reverse Edition gefahren. Die Tour gegen den Uhrzeigersinn startete in der Lombardei und streifte Ligurien mit der italienischen Rivera ab Chiavari. Die Adriaküste vor La Spezia bot imponierende Aussichten. Weiter ging es durch die facettenreiche Emilia Romagna und anschließend durch die sehenswerte Toskana, mit einem Teilstück der legendären L’Eroica auf den kalkweißen Schotterstraßen in der Chianti. In Umbrien, dem grünen Herzen Italiens, lag der südliche Wendepunkt, nach Rom waren es von hier knapp 90 Kilometer. Das Streckenprofil wies gut 15.000 Höhenmeter mit einigen Pässen aus, wobei der Großteil der Anstiege auf den ersten 2/3 verteilt war. Der Gebirgszug der Apenninen erwies sich als abwechslungsreich, mit einigen steilen Passagen und anschließenden fantastischen Panoramen und Weitblick.

Mille Miglia (Abkürzung: MM; italienisch: Mille „Tausend“, Miglia „Meilen“) bezeichnete ein Autorennen über öffentliche Straßen auf einem Dreieckkurs im Norden von Italien in den Jahren von 1927 bis 1957. Der Name Mille Miglia wurde 1977 für die Neuauflage des Rennens wieder eingeführt.

Für die notwendige und essenzielle Wasserversorgung unterwegs, sorgten oft Brunnen am Wegesrand oder auf Friedhöfen am Ortsrand (ein Tipp von anderen Randonneuren). Der vorgegebene Track wurde sogar danach geplant. Natürlich gab es auch die Möglichkeit in Supermärkten einzukaufen, war aber etwas zeitintensiver. Die meisten Tankstellen hatten eine 24/7 Öffnungszeit, betreffend Selbstbedienung zum Benzinzapfen, die wenigsten hatten jedoch einen geöffneten Shop zum Einkaufen. Streckenweise blieben einem wirklich nur die Brunnen als verfügbare Wasserquelle.

Siesta. Am frühen Nachmittag, etwa zwischen 13 bis 16 Uhr bzw. 14 bis 17 Uhr herrschte vielerorts Mittagspause. Das beste Mittel gegen Hitzestress. In dieser italienischen Ruhezeit ruhte quasi das gesellschaftliche Treiben, die meisten Geschäfte waren geschlossen, gerade in den ländlichen Gegenden erstarb das Leben. Menschenleere Straßen und ganze ausgestorbene Dörfer.

Der besondere Service des Veranstalters bei dieser extremen langen Tour waren die beiden Bag Drops - bei km 614 und km 994. Diese Leistung konnte bei der Anmeldung mitgebucht werden und beim Einschreiben vor Ort wurden 2 unterschiedlich farbige Turnbeutel ausgehändigt. Die maximal 4 Kg Inhalt wollten gut überlegt sein: Ersatztrikotagen incl. Rad-socken, Wasch-Duschzeug + Handtuch, div. Pflege-Crémes, Iso-Pulver und/oder Elektrolyte, Energieriegel, Snacks, vollgeladene Powerbank, ggf. Ersatzbatterien bzw. Akkus und natürlich ganz wichtig!  Sonnschutzmittel.

Der anschließende 500 Kilometer lange Rückweg ab Palazzulo Senio (Depot Nr. 13) durch die Poebene war überwiegend flach. Einige Brückenbauten über den Hauptfluss Italiens waren recht imposant anzuschauen, ebenso die Flusslandschaft an einigen Stellen. Die vorherrschenden (schlechten) Straßenverhältnisse waren sehr gewöhnungsbedürftig und erforderten vom (Reifen-) Material und vom Fahrgeschick so einiges ab. 28mm Reifen oder mehr waren vorteilhaft, ebenso doppeltes Lenkerband und gute Radhandschuhe zur Dämpfung. Mentale Stärke, langjährige Erfahrungen und vor allem Zähne zusammenbeißen war hier gegen die aufkommende Frustration und beginnenden Schmerzen gefordert. Reifenpannen (Schlauch- und Mantelschäden!) gab es währen dieser (Tor) Tour reichlich. Jochen erwischte es früh und zusammen mit anderen Umständen schied er früh aus. Sehr schade. Die ganzjährige Event-Vorbereitung vergebens. Der Reiseaufwand umsonst.

Der italienische Straßenverkehr unterschied sich vom heimischen nur durch das kurze Hupen der Autos und LKW´s vor dem dichten Überholen. Randstreifen gab es so gut wie keine, ebenso wenig Radwege, die befahr waren. Zusammen mit der maroden Asphaltdecke war ein runder Tritt, eine zügige und entspannte Fahrt nur selten gegeben. Manche Abfahrt erwies sich dadurch schwieriger zu meistern, als der vorangegangene anstrengende Anstieg.

Zum Glück wurde es erst am vorletzten Eventtag (Mittwoch) so richtig warm/heiß, mit Temperaturen von über 37°C. Eine Fahrt in der Mittagssonne war nicht empfehlenswert bzw. gesundheitsbedenklich. Einen kühlen Kopf zu bewahren und seinen Fahrplan jetzt anzupassen, war der Rat der Stunde. Zu riskant einen Hitzeschlag zu erleiden. Unsere anderen drei erfahrenden Randonneure Carsten, Klaus und der dirk konnten dadurch alle Widrigkeiten und auftretenden Probleme auf ihre Art und Weise meistern, und somit das Ziel innerhalb der Zeitvorgabe von 134 Stunden erreichen. Das Brevet = Prüfung erfolgreich bestanden.
Das käufliche Event-Trikot wurde zum einem hart und heiß erkämpften Finisher-Trikot. Mit Stolz und Ehre wird dieses jetzt getragen.

Herzlichen Glückwunsch! Grandios! Bravissimo! zu dieser Wahnsinnsleistung - sportlich, körperlich und mental. Die Finisher-Medaille bezeichnete einer der drei dann auch als seine persönliche Tapferkeits-Medaille, getreu dem Motto: „Tue zuerst das Notwendige, dann das Mögliche, und plötzlich schaffst du das Unmögliche.“  (Franz v. Assisi)

 Infos rund um 1001MM:  www.1001migliaitalia.it

Nachtrag:  Das wirklich schöne an 1001MM war das überschaubare Starterfeld gegenüber den 5000 Startern bei „Paris Brest Paris“ (PBP) im Jahr 2023. Dadurch kam man viel öfter mit den anderen Radfahrern zusammen und ins Gespräch. Der Kontakt war wesentlicher intensiver. Man traf sich auf der Strecke, in den Kontrollen immer mal wieder oder unterwegs spontan in einer Gelateria, und wusste noch wer der andere war. Im Ziel wurde dann gemeinsam gefeiert, bei Pasta, Melone und italienischen Marmeladenkeksen. Rad-Freundschaften durch den Austausch der Kontaktdaten gefestigt, Erinnerungsfotos gemacht.

Arrivederci!  See you later!  Auf Wiedersehen!  Bis „London Edinburgh London“ (LEL) 2025.